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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 01.02.2006
Aktenzeichen: 15 W 64/05
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

1. Emotional gefärbte Äußerungen eines Sachverständigen, die eine gewisse Verärgerung im Verhältnis zu einer Partei erkennen lassen, können eine Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen.

2. Emotionale Äußerungen des Sachverständigen können vor allem dann den Eindruck einer Parteilichkeit erwecken, wenn die Verärgerung des Sachverständigen mit bestimmten inhaltlichen Mängeln seines Gutachtens korrespondiert.

3. Eine Partei kann einen Sachverständigen unter Umständen dann nicht ablehnen, wenn sie selbst die Verärgerung des Sachverständigen durch eigene unsachliche Angriffe provoziert hat.


Oberlandesgericht Karlsruhe 15. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 15 W 64/05

01. Februar 2006

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Heidelberg vom 15.09.2005 - 7 O 257/03 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 40.000,- € festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin beauftragte die Beklagte im Dezember 2002 mit der Verpackung von Maschinenteilen für einen Übersee-Transport nach C.. Nach der Ankunft in C. stellte die Empfängerin Rost an den Maschinenteilen fest. Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte sei für die während des Schiffstransports aufgetretenen Korrosionserscheinungen verantwortlich, da sie die Maschinenteile mangelhaft verpackt habe. Mit ihrer Klage vor dem Landgericht Heidelberg verlangt die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 119.091,03 € nebst Zinsen.

Das Landgericht Heidelberg hat den Sachverständigen Prof. E. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt zu der Frage, ob die Korrosionsschäden durch eine mangelhafte Verpackung der Beklagten verursacht wurden. Der Sachverständige hat am 04. Mai 2004 ein Gutachten erstellt, in welchem er zu dem Ergebnis kam, der Schaden gehe "eindeutig zu Lasten des Verpackungsbetriebes" (der Beklagten). Nach verschiedenen Einwendungen der Beklagten hat der Sachverständige sein Gutachten mit einer schriftlichen Stellungnahme vom 21.09.2004 erläutert. Im Termin vom 18.01.2005 vor dem Landgericht Heidelberg hat der Sachverständige - nach weiteren Einwendungen der Beklagten - sein Gutachten mündlich erläutert. Zu der Frage, welche Menge von Trockenmittelbeuteln bei einer ordnungsgemäßen Verpackung hätte verwendet werden müssen, hat der Sachverständige auf Ersuchen des Gerichts am 25.01.2005 ergänzend schriftlich Stellung genommen. Mit Schriftsatz vom 24.02.2005 hat die Beklagte erneut auf - aus ihrer Sicht bestehende - Unzulänglichkeiten der Feststellungen des Gutachters hingewiesen. Nach einem entsprechenden Beweisbeschluss des Landgerichts hat der Sachverständige sodann am 02.06.2005 ein weiteres schriftliches Ergänzungsgutachten vorgelegt.

Mit Schriftsatz vom 22.06.2005 hat die Beklagte den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Die Beklagte hat auf verschiedene Ausführungen des Sachverständigen in seinem letzten Ergänzungsgutachten - teilweise auch im Zusammenhang mit früheren Ausführungen des Sachverständigen - hingewiesen, die Anlass zu Zweifeln an der Objektivität des Gutachters gäben.

Das Landgericht Heidelberg hat mit Beschluss vom 15.09.2005 den Befangenheitsantrag zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die ausführliche Begründung dieser Entscheidung (As. 663 ff) verwiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten. Sie vertritt nach wie vor die Auffassung, es seien Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen gerechtfertigt. Sie beanstandet insbesondere, dass das Ergänzungsgutachten vom 02.06.2005 - zu Lasten der Beklagten - nicht dem gerichtlichen Gutachtenauftrag vom 18.03.2005 entspreche. Vor allem enthalte das Gutachten eine Reihe emotional gefärbter Formulierungen des Sachverständigen, aus denen auf eine Voreingenommenheit zu Lasten der Beklagten zu schließen sei, insbesondere:

- "Über die Zahl der Trockenmittelbeutel lässt sich trefflich streiten - keiner wird je wissen, wie viele in der in Rede stehenden Verpackung gewesen sind."

- "und das gleiche gilt für die Menge des Holzes und dessen Trocknungsgrad, da versäumt wurde, entsprechende Proben zu ziehen."

- "So man gewollt hätte, hätte man sich alle diese Diskussionen und Auseinandersetzungen durch entsprechende Probenahme ersparen können, aber offensichtlich gab es eben doch feuchtes Holz im Innern der Verpackungen."

- "Offensichtlich sind diese nicht vorhanden. M.E. brauchen sie nun auch nicht mehr "angefertigt" zu werden."

- "Das im Laufe der Verhandlungen und Auseinandersetzungen nun wie ein "deus ex machina" erschienene Wasser - welcher Art auch immer -, soll nun die Ursache allen Übels sein."

- "Es fehlen viele Angaben, die beweisen, dass dieses Holz das hier verwendete ist... Vielleicht ist das Verpackungsholz, das hier verwendet werden sollte, auch gar nicht mit zum neuen Verpackungsort hintransportiert worden!"

Die Klägerin tritt der sofortigen Beschwerde entgegen. Sie ist der Auffassung, der Sachverständige habe sein Votum sachlich und nachvollziehbar vorgetragen.

Das Landgericht Heidelberg hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 02.12.2005 nicht abgeholfen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten ist nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine Ablehnung des Sachverständigen Prof. E. wegen Besorgnis der Befangenheit (§§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 1, Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

1. Eine Besorgnis der Befangenheit liegt vor, wenn Tatsachen vorliegen, die ein auch nur subjektives Misstrauen der Partei in die Unparteilichkeit des Sachverständigen vernünftigerweise rechtfertigen können (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 406 ZPO Rn. 8 mit Nachweisen). Das heißt, es kommt - entgegen der Auffassung des Sachverständigen in seiner Stellungnahme vom 02.07.2005 - nicht darauf an, ob ein Sachverständiger tatsächlich voreingenommen ist. Entscheidend ist allein der Eindruck, der bei einer Partei - vernünftigerweise - aufgrund bestimmter Tatsachen entstehen kann. Auch ein tatsächlich unparteilicher Sachverständiger kann mithin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn sein Verhalten aus der Sicht einer Partei - bei vernünftiger Betrachtungsweise - Anlass zu Zweifeln an seiner Objektivität bietet. Tatsachen, die ein solches Misstrauen aus der Sicht der Beklagten rechtfertigen könnten, sind jedoch nach Auffassung des Senats nicht vorhanden.

2. Für die Frage einer eventuellen Besorgnis der Befangenheit sind allein die Ausführungen des Sachverständigen in seinem Ergänzungsgutachten vom 02.06.2005 zu würdigen. Vor diesem Ergänzungsgutachten bestand für die Beklagte jedenfalls kein Anlass, an der Objektivität des Sachverständigen zu zweifeln.

Das Landgericht Heidelberg hat den Sachverständigen im Termin vom 18.01.2005 ausführlich angehört, wobei der Sachverständige im Ergebnis seine Auffassung bekräftigt hat, dass die Beklagte aufgrund fehlerhafter Verpackung für den eingetretenen Schaden verantwortlich sei. Am Ende der Anhörung war der Geschäftsführer der Beklagten - unstreitig - bereit, nochmals mit seiner Haftpflichtversicherung zu sprechen, damit diese "endlich" zahle. Auch der Versicherungsmakler der Beklagten hat sich sodann - unstreitig - auf Veranlassung des Geschäftsführers der Beklagten bemüht, dass aufgrund der Verantwortlichkeit der Beklagten Schadensersatz geleistet werde. Dieser Ablauf macht deutlich, dass frühere eventuell missverständliche Formulierungen des Sachverständigen für die Beklagte keinen Anlass boten, an seiner Objektivität zu zweifeln. Der Senat sieht daher keinen Anlass frühere Formulierungen des Sachverständigen (beispielsweise die versehentliche Bezeichnung der Beklagten als "Beschuldigte") bei der Prüfung einer Besorgnis der Befangenheit im Zusammenhang mit den entsprechenden Einwendungen der Beklagten gegen das Ergänzungsgutachten vom 02.06.2005 zu überprüfen und zu würdigen.

3. Eine Ablehnung des Sachverständigen wäre mithin allenfalls dann gerechtfertigt, wenn sich die Gründe hierfür aus dem Ergänzungsgutachten vom 02.06.2005 ergeben würden. Nach Auffassung des Senats lassen sich Zweifel an der Objektivität des Sachverständigen - auch aus der Sicht der Beklagten - aus diesem Ergänzungsgutachten jedoch nicht herleiten.

Der Sachverständige hat zwar in dem Ergänzungsgutachten verschiedene Formulierungen (vgl. die Wiedergabe oben I) gebraucht, die auf eine gewisse Verärgerung im Verhältnis zur Beklagten schließen lassen. Es trifft zu, dass sich der Gutachter in seiner Wortwahl - wie auch von der Klägerin in ihrer Stellungnahme zur sofortigen Beschwerde eingeräumt - vergriffen hat. Von einem Sachverständigen muss das Gericht erwarten, dass er auch dann in seinen Formulierungen sachlich bleibt, wenn er mit möglicherweise unberechtigten oder persönlich gefärbten Vorwürfen einer Partei konfrontiert wird. Die gewisse - erkennbare - Verärgerung des Sachverständigen reicht im vorliegenden Fall für eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit jedoch nicht aus. Denn es ist zum einen nicht ersichtlich, dass sich diese gewisse Verärgerung sachlich in irgendeiner Art und Weise auf das Gutachten ausgewirkt hat. Aus dem Ergänzungsgutachten ergeben sich - bei einer nüchternen Betrachtungsweise - auch aus der Sicht der Beklagten keine inhaltlichen Tendenzen des Gutachters zu Lasten der Beklagten (siehe im Einzelnen unten 4.). Im Übrigen kommt hinzu, dass die Beklagte die Emotionen des Sachverständigen durch eigenes Verhalten provoziert hat (siehe unten 5.). Die leicht emotional gefärbten Formulierungen des Sachverständigen kann die Beklagte diesem nicht vorwerfen, weil sie eine gewisse Verärgerung des Sachverständigen durch eigenes Verhalten - vorhersehbar - provoziert hat.

4. Entgegen der Auffassung der Beklagten vermag der Senat in dem Ergänzungsgutachten keine inhaltlichen Unzulänglichkeiten zu erkennen, die im Zusammenhang mit den emotional gefärbten Formulierungen für eine Parteilichkeit des Sachverständigen sprechen könnten. Der Senat schließt sich insoweit den eingehenden und sorgfältigen Ausführungen des Landgerichts Heidelberg in den Beschlüssen vom 15.09.2005 und vom 02.12.2005 an mit folgenden Ergänzungen:

(wird ausgeführt)

5. Die leicht emotional gefärbten Formulierungen des Sachverständigen dürfen aus der Sicht der Beklagten vor allem auch deshalb nicht überbewertet werden, weil die Beklagte - objektiv - eine gewisse Verärgerung des Sachverständigen durch den Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 24.02.2005 selbst provoziert hat. Ob die Beklagte hierbei eine Verärgerung des Sachverständigen aus taktischen Gründen bewusst hervorrufen wollte, kann dahinstehen; jedenfalls musste die Beklagte aufgrund ihres eigenen Verhaltens - bzw. der Formulierungen ihres Prozessbevollmächtigten - mit einer gewissen Betroffenheit des Sachverständigen rechnen. Bei einer solchen - zumindest objektiven - Provokation ist die Schwelle für eine Besorgnis der Befangenheit höher anzusetzen, wenn aus der anschließenden Reaktion des Gutachters eine gewisse Verärgerung ersichtlich wird (vgl. OLG Düsseldorf, BB 1975, 627).

a) Der Beklagtenvertreter hat im Schriftsatz vom 24.02.2005 verschiedene Formulierungen gebraucht, die deutliche persönlich gefärbte Vorwürfe gegenüber dem Sachverständigen enthalten:

"Auch diese Ausführungen zeigen, dass der Sachverständige nicht bereit oder in der Lage ist, eine einmal gefundene These in Frage stellen zu lassen." (Seite 6 des Schriftsatzes)

"Dem staunenden Leser wird das damit erklärt, ..." (Seite 8 des Schriftsatzes)

"Dass Herr E. nebenbei auch die vom Holzlieferant, der Firma H. in S., bescheinigte Holzfeuchte bezweifelt, passt ins Bild." (Seite 8 des Schriftsatzes)

- "Wenn der Sachverständige E. bei seiner Anhörung glaubte bemerken zu müssen, dass ..., so wird dabei verschwiegen, dass nach Feststellung des Schadens als Erste nicht die Beklagte, sondern Leute der Klägerin vor Ort waren..." (Seite 10 des Schriftsatzes).

b) Für die persönlichen Vorwürfe der Beklagten - bzw. ihres Prozessbevollmächtigten - in diesem Schriftsatz gab es keine objektive Grundlage. Insbesondere ist der Eindruck unzutreffend, dass sich der Sachverständige in den vorausgegangenen gutachtlichen Stellungnahmen nicht ernsthaft mit den Argumenten und Einwendungen der Beklagten auseinandergesetzt hätte. Die Zivilprozessordnung lässt den Parteien und ihren Prozessbevollmächtigten weite Spielräume bei der Verfolgung ihrer Interessen. Die Formulierungen des Prozessbevollmächtigten der Beklagten bedürfen daher nach Auffassung des Senats keiner Kritik seitens des Gerichts. Die Beklagte muss es allerdings unter den gegebenen Umständen hinnehmen, wenn in der Reaktion des Sachverständigen eine gewisse Verärgerung zum Ausdruck kommt.

c) Die persönlichen Vorwürfe der Beklagten im Schriftsatz vom 24.02.2005 waren zu einem Teil deshalb unberechtigt, weil die Beklagte neuen Vortrag in das Verfahren einführte, mit dem sich der Sachverständige vorher noch nicht beschäftigen konnte (unten d). Zum anderen lässt der Schriftsatz vom 24.02.2005 erkennen, dass die Beklagte die früheren gutachtlichen Ausführungen des Sachverständigen teilweise nicht zur Kenntnis genommen oder nicht vollständig verstanden hat (unten e).

d) Persönliche Vorwürfe des Prozessbevollmächtigten der Beklagten gegenüber dem Sachverständigen im Schriftsatz vom 24.02.2005 waren schon deshalb unangebracht, weil die Beklagte in diesem Schriftsatz nach eineinhalb Jahren Prozessdauer - erstmals - neue Sachverhaltsdetails eingeführt hat, die aus ihrer Sicht für die Beurteilung des Sachverständigen wesentlich gewesen wären. Dass der Gutachter diese Einwendungen bei seinen früheren Stellungnahmen nicht berücksichtigen konnte, versteht sich von selbst.

(wird ausgeführt)

e) Unzutreffend sind die Vorwürfe der Beklagten im Schriftsatz vom 24.02.2005 auch insoweit, als der Gutachter sich nicht mit den Argumenten der Beklagten auseinandergesetzt haben soll. Richtig ist hingegen, dass die Beklagte in verschiedenen Punkten die entsprechenden früheren Ausführungen des Sachverständigen nicht vollständig zur Kenntnis genommen oder nicht berücksichtigt hat.

(wird ausgeführt)

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

7. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 3 ZPO.

8. Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand kein Anlass (§ 574 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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